Wolfgang M. Dehm ist ein feinsinniger Denker, der rebellische Tenor seiner Kunst wurzelt in der Überzeugung, dass Erneuerung nur aus Gegenpositionen erfolgen könne. Die Sprache des Künstlers ist prägnant und sinnlich, sein Bilderkosmos reich. Nichts wird abgebildet, was sich direkt auf die äußere Sinneswahrnehmung zurückführen ließe, seine ekstatischen Bilder sind Schöpfungen der eigenen künstlerischen Phantasie. Dehm verbindet Heterogenes, ist Meister der „ars combinatoria“ und lässt ein kunstvolles Chaos entstehen, aus dem, um es mit Schlegel zu sagen, „eine Welt entspringt“. Perspektivische Strukturen zerbrechen oder enden anarchisch innerhalb vermeintlich logischer Struktur. Es ist, als ob der Künstler von einem imaginären Zentrum aus immer weiter Farben und Formen in den Bildraum triebe und erst im Kontext eine zwingende Komposition entstünde. Das herbe Raffinement, die Feinnervigkeit und die Wahrung der Proportion lassen an rhythmisch-musikalische Strukturen denken. Feste Formen lösen sich geschmeidig aus dem Malgrund, weiche, gebärende Körper versinken in hauchzarter Transparenz. Straff gespannte Oberflächen verweisen auf Erregung und Keimnis, orgiastische Figurationen richten sich krümmend oder rollend auf. Gekonnt unterläuft der Künstler Standards der Malerei, in virtuoser Lichtregie „kippen“ oder fließen seine Bilder in den Raum. Öffnungen, die auf ein Dahinter schließen ließen, führen ins Leere. Der Künstler, so scheint es, spielt ein Spiel - Ironie und lustvolle Gestaltung gehen Hand in Hand und verleihen den Arbeiten eine eigene, gebrochene Tonlage. Formale und thematische Anklänge an Surrealisten, Goya und Schongauer lassen sich ausmachen, jedoch die Technik des Airbrush, die der Künstler vollendet beherrscht, verleiht seinen Bildern einen eigenen Wert. Virtuos erfasst Dehm mit außergewöhnlichen Metaphern die erschreckende Dynamik unseres Lebens – die Bedrängnisse, die Zwänge unserer Zeit.

Ricarda Geib, Kunsthistorikerin M.A.

Stuttgart, im April 2014